
Das Jahr 2018 war in meinem (an ereignisreichen Jahren nicht armen) Leben eines der intensivsten: recht extreme Höhen und Tiefen von den ersten Wochen an gipfelten in einem nervlichen Zusammenbruch im Hochsommer. Nach den schlimmsten Wochen in dieser Zeit raffte ich mich auf – mir war sehr klar geworden, dass ich Ruhe finden und wirklich „in mich gehen“ musste – und folgte dem Rat eines Freundes, der mich in einer unwahrscheinlichen Kette von „Zufällen“ schließlich in Hohenwoos landen ließ – einem winzigen Dörfchen inmitten der endlosen Kiefernplantagen östlich der Elbe. Hier versorgte mich schließlich ein wunderbar hilfreicher Mann mit einer kleinen Wohnung, die ich von ihm für den Preis der Nebenkosten entspannt bezahlbar mieten konnte. Er erwähnte nur in einem Nebensatz den älteren Herrn, der in der örtlichen Ferienpension lebte: „etwas kauzig-exzentrisch aber harmlos“ waren seine beschreibenden Worte.
Am Nachmittag meines ersten Tages in Hohenwoos stand ich an meinem Wagen und bereitete mir einen Kaffee auf meinem Campingkocher – die Küche in der Wohnung war noch nicht ganz funktionsfähig. Auf einmal stand er neben mir – auf seinem Kopf ein Fez-ähnlicher Hut, weite, ockerfarbene Hosen, von einem auffällig breiten Gürtel gehalten, eine Art Weste über dem Hemd – und sagte ganz freundlich lächelnd „Hallo, ich bin Friedrich, wer bist denn du?“ Augenblicklich war klar, dass dies der erwähnte Herr sein musste. Ich stellte mich vor, und, als er nach dem Grund meines Hierseins fragte, erklärte ich ihm ohne Umschweife, dass es höchste Zeit für „eine innere Reise“ geworden war. „Soso – innere Reise“ – das waren die einleitenden Worte zu einer tiefgründigen und hochgeistigen Unterhaltung, die ungefähr so lange dauerte, bis mein Kaffee gekocht und getrunken war. Dann lud er mich ein, ihn am nächsten Nachmittag in der Pension zu besuchen – was ich mit dem größten Vergnügen annahm. „Kauzig?“ „Exzentrisch?“ „Harmlos?“ Friedrich – das wusste ich sofort – war vielleicht alles davon, aber eben auch noch sehr viel mehr.
Dieser erste Nachmittag im Garten der Pension „Alte Schule“ in der heißen Sonne: ich weiß noch, dass ich immer wieder dachte, meinen Sonnenhut zu holen, weil ich sonst garantiert einen sonnenverbrannten Kopf bekäme, aber ich wollte um nichts in der Welt diesen super spannenden Austausch unterbrechen. Das war nur der Anfang von den nun mehr oder weniger regelmäßig alle zwei Tage stattfindenden – ja, was: Unterhaltungen? Unterrichtungen? – ich weiß bis heute nicht, wie ich es korrekterweise benennen soll, was ich da erleben durfte. Es war jedenfalls eine Art von Freundschaft in erster Linie. Wir hatten einiges gemeinsam – die pfarrhäusliche Herkunft, Bildung, Musik, u.a. Er erzählte mir viel aus seinem Leben, ich von meinem – unsystematisch, einfach gesprächsmäßig, und irgendwann fragte er mich, ob ich Interesse an geistiger Fortbildung hätte, z.B. Astrologie, Meditation…? Aber sicher hatte ich – und von da an fanden diese „Lektionen“ oder „Seminare“ in Unterhaltungsform statt – es gab häufig genug zu lachen, aber er begann, einen ernsthaften „Unterrichtsplan“ für mich zu entwickeln und vor allem astrologische Inhalte in Verbindung mit der ihm typischen breiten Gesamtschau von Ethik und Geistigkeit zu erklären. Einmal tauchte er sehr früh morgens vor meiner Wohnung auf, und lud mich zu einer Atemmeditation ein. Ich bin ein echter Morgenmuffel und schlug das Angebot aus. Als ich mich später entschuldigte dafür, erklärte er mir, dass ihn mein „nein“ erfreut hatte – er wollte doch kein „Guru“ oder sowas sein… Und immer wieder sprach er davon, dass er eigentlich doch alles abgeschlossen hätte und gar nicht so recht wüsste, was er jetzt noch mit mir machen sollte. Er wünschte sich so sehr, dass er „endlich geholt“ würde – er wäre doch fertig hier auf der Erde…
Viel mehr an dieser Stelle davon zu berichten führt zu weit. Jedenfalls gab er mir entscheidenden Halt in einer schwierigen Zeit, und, nach vielen wenig erfolgreichen Versuchen in meinem bisherigen Leben, tief gegründeten Inhalt zu finden, fand ich genau dies hier, in den von Friedrich zur Verfügung gestellten Vorschlägen aus seiner riesigen Audiothek. Auch nachdem ich wieder zurückgekehrt war in meinen Alltag, besuchte ich ihn regelmäßig, und wir setzten unsere „unterhaltenden Unterrichtungen“ fort bis zu seinem Tod im Oktober 2019. Für den Rest meines Lebens werde ich eine sehr tief reichende Dankbarkeit für diese Begegnung empfinden. Ein gewisses Bedauern ist immer in mir – es gäbe da so viel mehr, was ich noch von ihm zu lernen und mit ihm zu diskutieren hätte. Ich kann es kaum fassen, dass ein so wertvoller Mensch so weitgehend unscheinbar in diesem Dorf lebte – bis heute gibt es dort niemanden -mit Ausnahme der Pensionsinhaberin vielleicht- , der oder die weiß, wer der „harmlose“ ältere Herr seit vielen Jahren in ihrer Mitte wirklich war…. Völlig logisch, dass dieser großartige Schatz nicht einfach so „in die Mülltonne der Vergessenheit“ geworfen werden kann, sondern ich möchte mit dieser Website versuchen, ihn auch anderen suchenden Menschen zur Verfügung zu stellen.
Diese Audiodatei ist möglicherweise die letzte, die Friedrich aufnahm – ich empfinde sie jedenfalls wie eine Art von „Testament“, für mich persönlich.